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Tagestrip nach Tschernobyl

Ein kleiner Beitrag über meinen Tagesausflug nach Tschernobyl im Juli 2017. Wie gefährlich ist eine Tour dort? Was bekommt man alles zu sehen? Lasst es mich euch erklären

Wie gefährlich ist das eigentlich?

Das ist immer das erste was ich gefragt werde, wenn ich von meinem Ausflug nach Tschernobyl erzähle. Die meisten Leute nannten mich gar verrückt überhaupt so einen Ausflug in Erwägung zu ziehen. Meine Mutter schrie mich anfänglich an, und bat mich diese Reise zu unterlassen. Leider muss ich zugeben, dass ich kein besonderer tapferer Mensch bin oder deswegen eine Medaille verdiene, es ist einfach bei weiten nicht so gefährlich wie die meisten Menschen denke. Die Strahlenbelastung ist in Tschernobyl beziehungsweise in der Sperrzone tatsächlich nicht so hoch. Wenn man dort einen ganzen Tag verbringt setzt man seinen Körper eine niedrigere Strahlenbelastung aus als man es bei einem Langstreckenflug hat, oder auch weit weniger als bei einer Röntgenaufnahme im Krankenhaus.

Ja, es gibt bestimmte Bereiche rund um den Reaktor, in denen die Strahlungsbelastung so extrem hoch ist, dass es wirklich lebensgefährlich ist. Der sogenannte Red Forest (Roter Wald), ein angrenzendes Waldgebiet, ist eines der am stärksten kontaminierte Gebiet auf der Welt. Da man jedoch sowieso nur mit geführten Touren in das Sperrgebiet kommt wird man solche Gebiete sowieso nicht betreten, und ein Geigerzähler ist auch immer mit. Man sollte halt nicht unbedingt Pilze, Gemüse und ähnliches konsumieren oder gar mitnehmen vor Ort. Sonst gibt es aber jedoch nichts Besonderes zu beachten.

Wie kommt man hin?

Wie oben schon erwähnt, man muss für solch einen Ausflug eine Tour buchen. Alle mir bekannten Touren beginnen irgendwo in Kiew, wo man mit einem Bus startet. Es gibt keine andere Möglichkeit, Tschernobyl zu besuchen. Es ist immer noch ein Sperrgebiet mit vielen Kontrollstationen, die jederzeit von Militärsoldaten bewacht werden. Ab dem Überschreiten der Grenze der 30 km Sperrzone wird ein Soldat die Tour zusammen mit einem Geigerzähler begleiten. Dementsprechend wird man sowieso beobachtet ob man keinen Blödsinn macht.

Man kann also ganz einfach im Internet nach „Tschernobyl Tour“ suchen und wird eine Vielzahl von verschiedenen Angeboten finden. In den letzten Jahren wird das tatsächlich immer mehr ein typisches Ausflugsziel für Touristen. Ihr solltet jedoch nicht erwarten dort Ukrainer anzutreffen, ich habe vor Ort bei keiner Tour offensichtliche ukrainische Besucher gesehen. Es wirkte so als ob die meisten Besucher von Mitteleuropa waren.

Um ehrlich zu sein: Alle Einheimischen, mit denen ich während meiner Osteuropareise gesprochen habe, dachten, ich sei verrückt, dass ich nach Tschernobyl fahre. Sie sind immer noch ziemlich erschüttert über den Unfall welcher auch weiterhin regelmäßig, vor allem in der Schule aufgegriffen wird. Eine ukrainische Frau, die uns in Kiew herumgeführt hat, erzählte mir, dass für sie die Luft anders riecht und schmeckt, seit der Unfall passiert ist. Ein kleiner Einschub: Die durchschnittliche Strahlenbelastung ist in Kiew sogar doppelt so hoch als wie in Tschernobyl.

Alle Touren bieten ein leicht anderes Programm, somit kannst du einfach das auswählen was dich mehr anspricht. Die meisten von ihnen sind für einen Tag (Am frühen Morgen wird man abgeholt, spät abends kommt man nach Hause), und einige Touren dauern 2 Tage. Dann schläft man in einem nahegelegenen Hotel. Wie ihr euch vorstellen könnt, gibt es nicht viele davon. Es gibt sogar eine spezielle Tour, bei der man sich in alte sowjetische Militäruniformen kleidet und in einem alten Lada (russisches Auto) zum Reaktor fährt. Abhängig von der Art der Tour zahlt man ca. 80$ (1 Tag) bis fast 300$ (die verrückte Lada Tour).

Ich hatte nur eine 1-Tages-Tour und würde nun nachträglicher eher eine 2-Tages-Tour buchen. Aber es war wahrscheinlich sowieso nicht mein letztes Mal in Tschernobyl.

Was wird man sehen?

Nun, wie bereits erwähnt, hängt das wirklich davon ab, welche Art von Tour man bucht. Aber einige Haltestellen sind für jede Tour ziemlich gleich. Die Fahrt von Kiew aus dauert zirka 2 Stunden. Wir bekamen einen kleinen Dokumentarfilm über den Unfall in Tschernobyl im Bus zu sehen, der sehr interessant und informativ war. Die restliche Zeit hat uns unsere strenge Reiseleiterin erläutert, was wir nicht tun dürfen, wenn wir uns in der Sperrzone befinden. Kein Herumkriechen im Dreck, kein Streicheln von Tieren (es gibt so viele streunende Hunde dort) und, wir sollten nichts essen, was wir dort finden. Macht durchaus Sinn. In der 30km Sperrzone gab es keine Sicherheitskontrollen. Alles, was wir tun mussten, war, unsere Reisepässe vorzuzeigen, und die Soldaten stellten sicher, dass wir keine kurzen Hosen tragen. Das wars. Nachdem überqueren der Grenze der Sperrzone sind weiter nochmals für eine längere Zeit mit dem kleinen Bus gefahren. Die Straßen in der Sperrzone waren viel besser als die meisten Straßen, die ich in der Ukraine gesehen habe. Liegt vermutlich daran, dass hier wohl nicht reger Betrieb herrscht.

Nach einiger Zeit hielten wir in einem verlassenen Kindergarten an. Die entspannende Stimmung und der Spaß, den wir im Bus mit den anderen Touristen hatten, verstummten in dieser Sekunde. Wenn man die verfaulten Kinderzeichnungen und all diese Spielzeuge sieht, die von den Kindern zurückgelassen wurden, dann beginnt man die schirre Verzweiflung zu denken die damals in der Luft gelegen ist. Die Vorstellung an all die Angst und Trauer, die diese Kinder und ihre Eltern gefühlt haben müssen, ist für mich einfach nicht fassbar. Schau dir einfach die Bilder an und entscheide selbst.



Einige Aspekte der Tour fühlen sich wie in einem Museum an. Zum Beispiel sieht man eine ganze Reihe von Denkmälern, die den Menschen gewidmet sind, die damals ihrem Leben gekämpft haben, um eine noch größere nukleare Katastrophe zu verhindern. Wir hielten auch an einem Ort an, um uns die verschiedenen Werkzeuge anzusehen, mit denen sie damals in der Nähe des geschmolzenen Reaktors arbeiteten. Die UDSSR bekam spezialisierte Roboter aus Japan und Deutschland zur Hilfe geschickt, aber so ziemlich alle versagten wegen der Hitze und der hohen Strahlungsintensität und konnten kaum bis gar nicht verwendet werden. Dementsprechend mussten damals hunderte Personen direkt zum brennten Reaktor geschickt werden um diesen zu löschen und vorübergehend abzudichten.

Wir pausierten auch an dem einzigen Supermarkt, der sich in der Sperrzone befindet. Es ist im Grunde genommen nur eine alte Dame die Produkte in einem halbverfallen größeren Raum verkauft. Dabei wird irgendwie alles angeboten, von ein paar Lebensmitteln über Alkohol bis hin zu Schönheitsprodukten, Kondome und sogar ein paar Souvenirs. Ich habe mir selbstverständlich eine Tschernobyl-Kaffeetasse (ich liebe dieses Ding) und ein T-Shirt besorgt um touristische Klischees zu erfüllen.

Logischerweise wird man auch den berüchtigten Reaktor Nr. 4 des Kernkraftwerks sehen. Um genau zu sein, werden man den Tschernobyl New Safe Confinement sehen. Es ist eine Schutzhülle für die Reste des Reaktors und des temporären „Sarkophags“, der unmittelbar nach der Katastrophe gebaut wurde. Die Gesamtkosten dieser neuen Hülle betrugen rund 1,5 Milliarden Dollar. Einer der nächsten Schritte wird es sein, etwa 150 Tonnen teilweise geschmolzenen Kernbrennstoff mit speziellen autonomen Robotern aus dem Inneren des alten Sarkophags zu entfernen. Aus irgendeinem Grund ist es nur erlaubt, den Reaktor aus genau diesem Winkel zu fotografieren. Unser Tourguide war diesbezüglich sehr pedant.

Oh, und alle anderen drei Reaktoren sind immer noch in Betrieb. Hatte ich nicht erwartet, aber dass, ist der Grund, warum man so viele Menschen noch in der Sperrzone sieht. Unser Reiseleiter teilte uns mit, dass die Arbeiter nicht länger als 5 Stunden am Tag in den anderen Reaktoren arbeiten dürfen. Zusätzlich werden ja auch dort neue Gebäude und Fabriken gebaut um mit dem anstehenden Atommüll umzugehen.

Danach machten wir uns an den interessantesten Teil der Tour. Wir besuchten Pripjat, die Stadt direkt neben dem Kernkraftwerk, in der damals der Großteil der Arbeiter lebte. Es ist nun eine Geisterstadt, in der seit 30 Jahre keiner mehr lebt. Wir starteten in einem Hotel, neben einem größtenteils zerstörten Supermarkt, gingen durch den berühmten Vergnügungspark und landeten in einem Sportstadion. Es fühlte sich an wie ein Spaziergang durch einen Wald mit einem zufälligen Gebäude nach dem Anderen das zufällig aus der Flora herausspringt. Es ist einfach faszinierend zu sehen, wie die Natur zurückkämpft und langsam die Stadt wiedererobert. Und das ist auch der Hauptgrund, warum ich es genossen hätte, einen weiteren Tag dort zu verbringen.

Pripjat war einfach so besonders und faszinierend für mich. Leider mussten wir ziemlich rasch durchspazieren da wir nicht mehr so viel Zeit hatten. Ich hätte ewig dort bleiben können um Fotos und Videos zu machen.

War es der Ausflug wert?

Es fühlte sich viel touristischer an, als ich dachte. Das habe ich wirklich nicht erwartet. Auch der Preis ist ziemlich hoch, wenn man ihn mit anderen Aktivitäten in der Ukraine vergleicht. Auch wenn ich es sicherlich wieder tun würde und wahrscheinlich auch in Zukunft wieder tun werde. Ich bin mit Pripjat noch nicht fertig.

Und natürlich war auch die Kaffeetasse schon die ganze Reise wert.

Ich hoffe du hast meinen kleinen Beitrag über meinen Tagesausflug nach Tschernobyl genossen. Es gibt noch so viel darüber zu erzählen aber ich wollte nicht, dass mein Beitrag endlos lang wird. Also bitte, fragt einfach drauflos falls ihr Fragen habt. Am besten macht ihr einfach selbst einen Ausflug dorthin. Ich werde demnächst ein Video über meine Reise veröffentlichen und wenn du gern mehr Bilder von mir sehen möchtest kannst du dir mein Instagram-Konto ansehen.


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